> Brief von P. Tick an das Familienwerk 1954

Brief von P. Tick an das Familienwerk 1954

Bericht über die Geschichte unserer Heiligtumsfahne.

Im September dieses Jahres (1954) fanden wir in der „Deutschen Tagespost“ eine kleine Notiz über die geplanten Feierlichkeiten in Rom zum 1. November anläßlich der Proklamation des Königtums Mariens. Die Marienheiligtümer der ganzen Welt sollten Fahnenabordnungen nach Rom entsenden, um an diesem Feste teilzunehmen. Der Hl. Vater würde bei dieser Gelegenheit das römische Gnadenbild „Salus Populi Romani” krönen. Zur Erinnerung an diesen Festakt sollten die Heiligtumsfahnen durch den Hl. Vater mit einer eigens dafür geprägten Medaille geschmückt werden.

Nun sind seit langem in unserer Schönstattfamilie Strömungen lebendig, die die Gottesmutter als Königin anerkennen und krönen. Deshalb war unsere Freude groß, daß der Hl. Vater nun selbst eine feierliche Krönung vornahm. Es war aber auch der Wunsch verständlich, in Vertretung unseres Heiligtums an den Feiern teilzunehmen.

Zu unserem Bedauern hatten wir keine eigentliche Heiligtumsfahne. Die Kongregationsfahne zeigte nicht das Symbol des Gnadenortes. Die Bewegungsfahnen seien nicht anzusprechen als Vertretung des Gnadenheiligtums. Sie seien jeweils Ausdruck des Ideals einer Gliederung oder eines Verbandes. In diesem Sinne entschied auch der Leiter der Bewegung, H. H. P. Kastner, als er von Rom über die Feiern des 1. November in Kenntnis gesetzt wurde.

Ende September äußerte sich der Rektor des Gnadenheiligtums, H. H. P. Josef Hagel, wir sollten doch alles versuchen, eine Heiligtumsfahne zu bekommen, die am 1. November unser Schönstattheiligtum in Rom vertreten könne. Diese Fahne müßte die Symbolik Schönstatts zeigen: auf der Vorderseite das gekrönte Bild der Mta mit der Umschrift MATER TER ADMIRABILIS, auf der Rückseite das Kapellchen mit den Gräbern und der Umschrift: SANCTUARIUM SCHOENSTATTENSE.

Die Paramentenabteilung der Marienschwestern konnte wegen der Kürze der Zeit den Auftrag nicht übernehmen, eine große Fahne zu sticken. Deshalb wurde sofort (am 21.9.1954) an eine Paramenten- und Fahnenfabrik in Krefeld geschrieben, ob bis zum 26.10.1954 die Fahne noch gestickt werden könnte. Die Firma sagte zu. Aber erst am 2.10.1954 kam ein Vertreter der Firma, um Einzelheiten noch zu besprechen. Damit das MtaBild naturgetreu gearbeitet werden könnte, erbaten wir uns das MtaBild der Hauskapelle auf „Berg Schönstatt”, das in seiner Farbgebung wohl die beste Reproduktion ist. Die Schwestern zögerten erst, das Bild für so lange Zeit herzugeben, weil für den 24.10. eine Besichtigung des Hauses vorgesehen war. Aber weil sie das Ihrige dazu beitragen wollten, daß die Heiligtumsfahne schön wird, stellten sie das Bild zur Verfügung. Doch sollte dasselbe bis 23.10.1954 wieder nach Schönstatt zurückgeschickt werden.

In Krefeld wurde mit der Arbeit am 3.10.1954 begonnen. Zuerst machten sich die Zeichner ans Werk. Am 14. begannen die Stickerinnen mit ihrer Arbeit. Nach Aussage der Geschäftsinhaberin lösten sich 12 Stickerinnen von 7 Uhr morgens bis 23 Uhr abends ab, um die Fahne termingemäß fertigstellen zu können. Auf dringende Bitten der Firma wurde der Ablieferungstermin auf Freitag, den 29.10. abends hinausgeschoben. Das Bild von Berg Schönstatt durfte nun doch so lange bleiben, da die Besichtigung des neuen Hauses verschoben werden mußte.

Inzwischen wurde die Fahnenspitze gefertigt. Die Marienbrüder hatten eine Reihe von Terminaufträgen und waren mit Arbeit überlastet. So mußte der Auftrag an eine Firma in Koblenz gegeben werden. Den Schaft umschließt eine Metallhülse. Diese weitet sich zur Krone und trägt darüber das MtaZeichen.

Am 13.10. erhielten wir von H. H. P. Bonfada aus Rom (Generalat der Pallottiner) die Mitteilung, daß eine Einladung des Ortsbischofs notwendig sei, wenn wir an den Feierlichkeiten des 1. November teilnehmen wollten. H. H. P. Burggraf, der mit dem Vizegeneral Kennedy zur Oktoberwoche nach Schönstatt käme, wüßte genaueren Bescheid.

Am 15. morgens kamen die Patres aus Rom an. Am selben Tag ging ein Brief ab an den Hochwürdigsten Herrn Bischof von Trier, in welchem der Rektor des Heiligtums um eine Einladung nach Rom bat. Eine Woche verging, ohne daß aus Trier eine Antwort kam. Und wir durften keine Zeit verlieren, wir mußten uns beim Komitee des Marianischen Jahres in Rom ja noch anmelden. Sonst würde man nicht zugelassen. Ein Telegramm aus Rom drängte: „Zustimmung des Bischofs erforderlich. Persönlich vorsprechen.”

Durch Vermittlung der Marienschwestern in Trier wurde um eine Audienz für H. H. P. Rektor Hagel beim Bischof nachgesucht. Telefongespräche gingen hin und her. Dann wurde die Audienz für Donnerstag, den 28.10. vormittags 9.30 Uhr zugesagt. H. H. P. Hagel hatte gerade einen Kurs für die Wallfahrt aus Augsburg zu halten. Nun traf es sich, daß diese Wallfahrt am Donnerstag vormittag, dem Zeitpunkt der Audienz, an einem Gottesdienst im Ostritus teilnehmen sollte. So war H. H. P. Hagel bis zum Nachmittag frei und konnte nach Trier fahren. Dort erfuhr er, daß der Hochwürdigste Herr Bischof selbst erst wenige Tage vorher von Rom Genaueres erfahren hatte über die Formalitäten für die Feier des 1. November. Jetzt konnte er die Einladung geben. Sofort wurde nach Rom ein Telegramm abgeschickt: „Einladung des Bischofs erhalten.”

H. H. P. Bonfada hatte bereits beim Komitee eine bedingte Anmeldung der Fahnenabordnung aus Schönstatt getätigt. Nun konnte er aufgrund des Telegramms die Zulassungskarten besorgen.

Jetzt waren wir aber der Fahne wegen in Sorge. Von Krefeld war die Nachricht gekommen, es bedürfe noch vieler Arbeit, um die Fahne fertigzustellen. Es wurde viel gebetet und geopfert in dieser Woche. Die Mta selbst sollte sorgen, daß die Fahne fertig würde. Wir warteten voller Spannung auf Nachricht aus Krefeld. Ein Telefongespräch brachte uns endlich die Gewißheit: die Fahne wird bis Freitag, den 29.10. vormittags, fertig. Am Freitag nachmittags 13.30 Uhr kam die Fahne in Schönstatt an. Nun war die Fahrt nach Rom gesichert.

Es wurde entschieden, daß außer H. H. P. Mosbach noch zwei Marienschwestern die Fahne nach Rom begleiten sollten: Sr. Oberin M. Annetrud (Wasserburg) als Vertretung der Wallfahrt und Sr. M. Aloysiana (Exerzitienhaus) als Vertretung der Gliederungen.

Freitag abends 20.30 Uhr war Fahnenweihe im Kapellchen. H. H. P. Rektor Hagel hielt eine kurze Ansprache und verlas die Einladung des H. H. Bischofs von Trier (deutsche Übersetzung).

Empfehlungsschreiben.

Mit Zustimmung und Billigung des unterzeichneten Bischofs von Trier, in dessen Diözese das Heiligtum der Allerseligsten Jungfrau Maria in Schönstatt gelegen ist, wird

H. H. P. Mosbach

nach Rom gesandt. Er soll mit einigen Gefährten (Mitbrüder) bei den in Rom während der nächsten Tage stattfindenden Feierlichkeiten zu Ehren Mariens (marianischen Feierlichkeiten) das oben genannte Heiligtum vertreten und dessen Fahne tragen.

Gegeben zu Trier, am 28. Oct. 1954
gez. + Matthias
Bischof von Trier.

Kurz danach, um 23.30 Uhr fuhren Fahnenträger und Begleitung mit unserer Heiligtumsfahne nach Koblenz. Um 0.24 Uhr Fahrt nach Rom mit dem HollandItalienExpreß. In der Nacht von Samstag auf Sonntag, 30./31. Oktober, kam unsere Fahnenabordnung aus Schönstatt in Rom an.

In Rom war für den Nachmittag des 31. die große Prozession angesetzt: das alte römische Gnadenbild „Salus Populi Romani” (Heil des römischen Volkes) wurde von S. Maria Maggiore nach St. Peter gebracht. Die Fahnenabordnungen der marianischen Heiligtümer aus aller Welt sollten daran teilnehmen. Es waren 45 Nationen mit 480 Fahnen vertreten.

Die von Schönstatt kommende Abordnung unseres Heiligtums wurde in Rom wesentlich vergrößert: besonders durch Patres, Fratres und Brüder des Generalates und des internationalen Kollegs der Pallottiner. So waren in Begleitung unserer Fahne folgende Nationen vertreten: Brasilien, Irland, Spanien, Deutschland.

Bevor sich unsere Abordnung nach S. Maria Maggiore begab, kamen noch einmal alle mit der Fahne in dem kleinen MtaHeiligtum beim Grabe Pallottis zusammen. Wir sangen als Gruß: „Mira il tuo populo, bella signora ...” (Blicke auf Dein Volk, schöne Herrin ...) und beteten „Salve Regina“.

Dann gings nach Maria Maggiore. Die Aufstellung der Riesenprozession dauerte fast eine Stunde. Den ersten Teil bildeten die Fahnenabordnungen. Sie waren nach Nationen gegliedert. Unsere Abordnung wurde bei den Vertretungen der deutschen Heiligtümer eingereiht. Während die Prozession langsam ihren Weg mitten durch die Straßen der Großstadt nahm, beteten wir den Rosenkranz und sangen Marienlieder. Ab und zu konnte man einen Blick vor und zurück werfen: bis weit vor uns Fahnen, hinter uns Fahnen mit ihren Abordnungen, in bunter Mannigfaltigkeit, an den Straßenrändern standen die Menschen dicht gedrängt. Der Fahnenprozession folgte der Zug der Kleriker, dann zuletzt, auf festlich geschmücktem Wagen das Gnadenbild. Man spürte, die ganze Welt bereitet hier der Gottesmutter einen Triumphzug; und wir freuten uns, daß wir dabei das Banner unserer Dreimal wunderbaren Mutter und Königin von Schönstatt durch die Straßen Roms tragen durften.

Der nächste Morgen brachte den Höhepunkt der Huldigung an Maria: die Verkündigung des Festes vom Königtum Mariens und die Krönung des Gnadenbildes 'Salus Populi Romani'. Die Fahnenabordnungen waren dazu eigens eingeladen. Unsere Fahne wurde von H. H. P. Mosbach, Br. Baltes (Rom), Schw. M. Annetrud und Schw. M. Aloysiana in den Petersdom getragen. Dort umgab ein Wald von Fahnen der Heiligtümer in aller Welt das Bild der Gottesmutter: Sinnfälliger Ausdruck für das weltweite Königtum Mariens, aber auch für die öffentliche und begeisterte Anerkennung ihrer Königsherrschaft.

Um 11 Uhr zog der Hl. Vater unter dem Jubel von Hunderttausenden über den Petersplatz in den Dom ein. Die Kardinäle und ca. 250 Bischöfe begleiteten ihn.

Zuerst nahm der Hl. Vater die Huldigung der Kardinäle entgegen – sie war ein Zeichen ihres Einverständnisses mit seinem Vorhaben. Dann verkündete er das neue Fest und richtete ein feierliches Huldigungs und Bittgebet an die Königin des Himmels und der Erde.

Nun segnete der Hl. Vater die neugeprägten Medaillen für die Vertretungen der einzelnen Heiligtümer. An einige Fahnen heftete er die Medaillen eigenhändig, die übrigen empfingen sie im Anschluß an die Feierlichkeiten.

Jetzt folgte die Krönung des Gnadenbildes. Der Hl. Vater segnete die beiden Kronen, eine für das Jesuskind, eine für die Gottesmutter, und brachte sie selbst an. Ein unbeschreiblicher Jubel erfüllte den Petersdom bei dieser Ehrung der Gottesmutter.

Nach dem feierlichen Te Deum erteilte der Hl. Vater den Apostolischen Segen.

Dann wurde das gekrönte Bild auf die Loggia des Domes getragen. Der Hl. Vater zeigte es allen, die auf dem Petersplatz warteten, und erteilte den besonderen Segen „Urbi et Orbi“.

Die Abordnung unseres Schönstattheiligtums durfte stolz die Festmedaille in Empfang nehmen und an die Fahne heften. Wir dürfen sie als eine Auszeichnung unseres Heiligtums ansehen, die uns froh und dankbar macht.

Unsere Fahne blieb zunächst in Rom. Eine Pilgergruppe unserer Bewegung (Familienwerk und Wallfahrer) kam zwei Wochen später nach hier. Am Bündnistag, dem 18. November, war Audienz im Schloßhof von Bastelgandolfo: unvergeßliche Augenblicke für alle, die dabei sein durften. Wir hatten unsere Fahne wieder mitgebracht, der Hl. Vater sollte sie sehen und segnen. Auch ein großes MtaBild schenkten wir ihm.

Unser Gruß, den wir dem Hl. Vater zuriefen – bestimmt durch die vielen Männerstimmen unserer SchönstattPilgergruppe –, lautete: „Schönstatt grüßt den Hl. Vater! Treu Heil!“

Unsere chilenischen Fratres, die in der Schweiz ihr Noviziat machen, hatten noch einen besonderen Vorschlag: die Fahne sollte nach Fribourg zu dem neu eingeweihten Heiligtum gebracht werden, dann weiter von Heiligtum zu Heiligtum wandern, zum Ausdruck der Verbindung von Urheiligtum und Filialheiligtümern.

Aber zuerst mußte die Fahne mit der neuen Medaille doch zum Urheiligtum gebracht werden. Die SchönstattPilgergruppe nahm am 20. November die Fahne von Rom mit nach Schönstatt. Am Sonntagmorgen, 21. November, Fest Mariä Opferung, traf sie dort ein. Die Fahne wurde in feierlicher Prozession über den Pilgerplatz ins Kapellchen getragen. Dort soll sie zum Abschluß des Marianischen Jahres Ausdruck sein für die Bindung der gesamten Schönstattfamilie an unser Heiligtum, und sie soll uns erinnern an die große Sendung, die uns vom Schönstattheiligtum für die Weltkirche aufgetragen ist.